Der Aufbau einer Plattform ist weit mehr als nur die Verbindung einzelner Softwareprodukte. Doch wie gelingt der Übergang von unabhängigen Lösungen zu einer flexiblen, skalierbaren und benutzerfreundlichen Plattform? Dieser Artikel begleitet Sie systematisch durch Strategie, Architektur und praktische Umsetzungsschritte zur erfolgreichen Produktintegration – mit konkreten Beispielen, bewährten Methoden und strategischen Empfehlungen.
Die Transformation von Einzelanwendungen zu einer integrierten Plattform erfordert eine durchdachte strategische Planung. Die hier dargestellte Übersicht basiert auf über 25 Jahren Erfahrung aus zahlreichen Projekten mit kleinen und großen Kunden. Dabei bietet diese Übersicht lediglich eine grundlegende Orientierung; jeder Aspekt könnte noch tiefergehend behandelt werden.
Viele Unternehmen und Start-ups beginnen zunächst mit einem Kernprodukt und erweitern ihr Angebot schrittweise durch zusätzliche Softwarelösungen, externe Tools und Akquisitionen. Das Ergebnis ist häufig eine heterogene Landschaft, die Nutzer:innen verwirren und ineffiziente Datenhaltung an verschiedenen Stellen zur Folge haben kann. Eine integrierte Plattform mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche und systemübergreifenden Prozessen verbessert dagegen die User Experience erheblich und eröffnet oft neue Möglichkeiten für Geschäftsmodelle und Cross-Selling.
Die Transformation beginnt mit einem klaren Zielbild. Dieses beschreibt nicht nur das technische Ziel, sondern auch den wirtschaftlichen und organisatorischen Nutzen der Plattform. Ein Beispiel: Ein Konzern im Gesundheitswesen plant die Konsolidierung seiner verschiedenen Patientenportale in einer zentralen Plattform. Ziel: ein gemeinsames Login, einheitliches Terminmanagement und durchgehende Kommunikationsprozesse zwischen Ärzt:innen, Patient:innen und Verwaltung.
Wichtige strategische Eckpfeiler:
Ein häufig unterschätzter Erfolgsfaktor ist die frühzeitige Einbindung aller relevanten Stakeholder, von der IT über das Produktmanagement bis zum Support.
Ein skalierbares Integrationsmodell strukturiert die Vielfalt möglicher Integrationstiefen. Es bietet ein Vokabular für Projektteams und unterstützt die Priorisierung.
Je höher das Integrationslevel, desto größer ist der Nutzen - aber auch der Aufwand. Wichtig ist, dass nicht jedes System auf Level 5 gehoben werden muss. Vielmehr sollte jede Integration anhand ihrer strategischen Bedeutung und Nutzung bewertet werden.
Ein klassisches Beispiel für Level-3-Integration ist eine Finanzplattform, die in ihre Weboberfläche Module von externen Banking-Services über Microfrontends einbindet. Eine Prozessintegration könnte bei einer Supply-Chain-Plattform erfolgen, wo Bestellungen automatisiert über mehrere Systeme hinweg abgewickelt werden.
Eine Plattformarchitektur muss flexibel, erweiterbar und wartbar sein. Der Blueprint definiert die Architekturprinzipien und zentrale technische Komponenten.
Typische Architekturbausteine:
Beispiel aus der Praxis:
Ein Mobility-Anbieter nutzt eine Plattformarchitektur mit einem zentralen API-Gateway, das je nach Kanal (App, Web, Callcenter) unterschiedliche BFFs anspricht. Die UI ist modular aufgebaut, sodass Partner-Features als Microfrontends integriert werden können – etwa Buchungsfunktionen von Carsharing-Dienstleistern.
Nicht jede Integration ist sinnvoll. Eine objektive Bewertung ist essenziell für die Priorisierung. Wichtige Kriterien:
Beispielhafte Bewertungstabelle:
Produkt |
Typ |
Ebene |
Frontend-Integration |
Backend-Integration |
Eigenentwicklung CRM |
Self-hosted |
3 |
Microfrontend |
REST API |
SaaS Analytics Tool |
SaaS |
1 |
Link/iFrame |
Webhooks |
Ein entsprechender Kriterienkatalog hilft nicht nur bei der Planung, sondern auch beim Reporting gegenüber dem Management.
Ein Big Bang ist selten ratsam. Stattdessen empfiehlt sich ein iteratives Vorgehen mit klar abgegrenzten Phasen:
Best Practice:
Ein Versicherungsunternehmen startete mit einem zentralen Login und einer neuen, responsiven Plattformhülle. Im zweiten Schritt wurden Beratungsprozesse digitalisiert und später um Schadensmeldungen, Dokumentencenter und Chatbots ergänzt - jeweils durch lose gekoppelte Module.
Eine gut etablierte Governance sichert langfristige Stabilität und strategische Ausrichtung der Plattform. Sie ist die unsichtbare Grundlage jeder Plattform. Ziel der Governance ist es, Einheitlichkeit und Wiederverwendbarkeit über Produktgrenzen hinweg zu garantieren und technologische sowie architektonische Kohärenz sicherzustellen. Dazu gehören Architektur-Reviews, Entscheidungsprotokolle (ADRs), API-Guidelines, Frontend-Designsysteme und umfassende Dokumentationen. Ein klares Qualitätsmanagement, regelmäßige Architektur-Reviews und standardisierte Entwicklungsprozesse wie CI/CD sind unerlässlich. Darüber hinaus sorgen etablierte Sicherheitsrichtlinien und Compliance-Vorgaben (z.B. DSGVO, ISO27001) für Transparenz und Sicherheit im Betrieb.
Wartbarkeit ist die Grundlage für die Langlebigkeit und Änderbarkeit der Plattform. Sie beginnt bei der Architektur, die durch klare Modularisierung, Schnittstellenorientierung sowie geringe Kopplung und hohe Kohäsion geprägt sein sollte. Praktiken wie Clean Code, Domain-Driven Design (DDD), automatisierte Tests und gut integrierte CI/CD-Pipelines stellen sicher, dass die Plattform flexibel und stabil betrieben werden kann. Ein durchdachtes Logging- und Monitoring-Konzept liefert dabei kontinuierlich Einblicke in den Betrieb und hilft, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.
Ein gutes Beispiel ist ein PropTech-Startup, das in jedem Sprint nicht nur Features liefert, sondern gezielt Wartbarkeit evaluiert: „Ist dieses Modul in 6 Monaten noch verständlich und unabhängig deploybar?“
Ein leistungsfähiger Support ist entscheidend, um Nutzerzufriedenheit und einen stabilen Betrieb der Plattform zu gewährleisten. Ein gut strukturierter Support umfasst verschiedene Ebenen (Layered Support), angefangen vom First-Level-Support, der die ersten Nutzeranfragen bearbeitet, bis hin zu spezialisierteren Teams für komplexe technische Probleme. Ein Bereitschaftsdienst (On-call Engineers) ist unerlässlich, um kritische Systemstörungen schnell zu beheben und Ausfallzeiten minimal zu halten.
Neben klar definierten Eskalationswegen und Zuständigkeiten ist ein wirksames Service-Level-Management (SLM) wichtig. Dies umfasst die Definition und Überwachung von Service-Level-Agreements (SLAs), die klare Verfügbarkeits- und Reaktionszeiten festlegen. Transparente Dashboards und regelmäßige Healthchecks sorgen dafür, dass sowohl interne als auch externe Stakeholder stets den Überblick über den Status der Plattform behalten. Self-Service-Tools und umfassende Dokumentationen ermöglichen es Nutzer:innen, kleinere Probleme eigenständig zu lösen und reduzieren so die Belastung des Supports.
Ein zuverlässiger Support ist essenziell für einen stabilen Plattformbetrieb und hohe Nutzerzufriedenheit. Der Support sollte mehrstufig organisiert sein:
Self-Service-Angebote wie Wissensdatenbanken, interaktive Hilfetools und gut strukturierte Dokumentationen entlasten den Support und erhöhen die Effizienz.
Service-Level-Agreements (SLAs) sowie transparente Dashboards und Healthchecks schaffen Klarheit über Verfügbarkeit und Reaktionszeiten – sowohl intern als auch gegenüber Kund:innen.
Incident Management – Störungen professionell managen
Auch in stabilen Systemen sind Incidents unvermeidbar. Ein klar strukturierter Prozess ist daher Pflicht:
Ein zentrales Lessons-Learned-Archiv hilft, Wiederholungen zu vermeiden. Für besonders resiliente Plattformen kann ergänzend Chaos Engineering eingesetzt werden, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen.
Die Entwicklung einer integrierten Plattform ist komplex, aber durch ein strukturiertes Vorgehen, klare Governance und schrittweise Umsetzung sehr gut zu bewältigen. Wichtig ist es, offen für Anpassungen und Iterationen zu bleiben und kontinuierlich aus Erfahrungen zu lernen. Diese Übersicht bietet jedoch nur einen ersten Einblick – jeder dieser Punkte verdient eine eigene vertiefende Betrachtung.
Wenn Sie diese Fragen mit „Ja“ beantworten können, sind Sie auf einem sehr guten Weg.
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