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Nachhaltige Barrierefreiheit für Unternehmen mit EAM

Geschrieben von Karsten Lenz | 30.07.2025 09:29:35

Digitale Barrierefreiheit ist in der heutigen vernetzten Welt von entscheidender Bedeutung. Sie stellt sicher, dass alle Menschen – unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen wie Seh-, Hör-, kognitiven oder motorischen Beeinträchtigungen – digitale Produkte und Dienstleistungen problemlos und ohne fremde Hilfe nutzen können. Dies gilt nicht nur für Menschen mit dauerhaften Behinderungen, sondern auch für Personen mit temporären oder situativen Einschränkungen, wie z.B. einer Armverletzung oder in einer lauten Umgebung. 

Seit Juni 2025 sind Unternehmen in der EU gesetzlich verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. In Deutschland wird dies durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt, welches die Richtlinien des European Accessibility Act (EAA) übernimmt. Barrierefreiheit ist jedoch mehr als nur eine gesetzliche Pflicht; sie bietet Unternehmen einen echten Mehrwert und wichtige Wettbewerbsvorteile.

 

📖 Inhalt
  1. Warum ist Barrierefreiheit wichtig?
  2. Gesetzliche Anforderungen und Standards
  3. Szenarien zur Erreichung von Barrierefreiheit
  4. Wie kann Enterprise Architektur Management bei der Barrierefreiheit helfen?
  5. Architekturentscheidungen strategisch steuern mit EAM – Barrierefreiheit als nicht-funktionale Anforderung
  6. Definition von Architekturstandards ist ausschlaggebend
  7. Wichtige Maßnahmen für barrierefreies Design in Systemen 
  8. Die Rolle von Audits und Künstlicher Intelligenz (KI) 
  9. Fazit

 

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

Die Sicherstellung der Barrierefreiheit digitaler Inhalte ist für Unternehmen aus mehreren Gründen von großer Bedeutung: 

  • Erweiterung der Zielgruppe: Rund 15 % der Weltbevölkerung leben mit einer Behinderung. Hinzu kommt eine alternde Gesellschaft, die zunehmend auf barrierefreie digitale Dienste angewiesen ist. Barrierefreiheit hilft, diese große Kundengruppe zu erreichen und neue Umsatzpotenziale zu erschließen. 
  • Kosteneinsparungen: Die frühzeitige Integration von Barrierefreiheit in Entwicklungsprozesse reduziert langfristig Entwicklungs- und Anpassungskosten. Nachträgliche Korrekturen sind wesentlich aufwendiger und teurer. 
  • Verbessertes Markenimage und soziale Verantwortung: Unternehmen, die Barrierefreiheit umsetzen, demonstrieren soziale Verantwortung, tragen zur digitalen Inklusion bei und stärken ihr Markenimage. 
  • Größere Reichweite und SEO-Vorteile: Eine barrierefreie Gestaltung verbessert die Benutzerfreundlichkeit für alle und kann die Suchmaschinenoptimierung (SEO) erhöhen, da klar strukturierte Webseiten mit Alternativtexten und einfacher Navigation von Suchmaschinen besser indexiert werden. 
  • Minimierung rechtlicher Risiken: Die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften vermeidet Klagen und Strafen. Die US-Regierung hat zum Beispiel in den letzten Jahren wiederholt Klagen gegen Unternehmen und Behörden wegen mangelnder Web-Barrierefreiheit eingeleitet und erfolgreich durchgesetzt. 

Gesetzliche Anforderungen und Standards 

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), entwickelt vom World Wide Web Consortium (W3C), sind international anerkannte Standards für Web-Barrierefreiheit. Sie definieren spezifische Anforderungen und sind in drei Konformitätsstufen unterteilt: 

  • Stufe A: Grundlegende Barrierefreiheit – grundlegende Anforderungen für minimale Zugänglichkeit. 
  • Stufe AA: Standard, ab 2025 verpflichtend für viele Unternehmen – bewährte Verfahren für gute Zugänglichkeit. 
  • Stufe AAA: Exzellente Barrierefreiheit – höchste Standards für optimale Zugänglichkeit. 

Die WCAG basieren auf vier Kernprinzipien, die sicherstellen sollen, dass Webinhalte für Menschen mit Behinderungen nutzbar sind: 

  1. Wahrnehmbar (Perceivable): Informationen und Benutzeroberflächenkomponenten müssen für die Nutzer:innen wahrnehmbar sein, z. B. durch Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte oder ausreichend Kontrast. 
  2. Bedienbar (Operable): Benutzeroberflächenkomponenten und Navigation müssen bedienbar sein, z. B. über die Tastatur und ohne spezifische Zeitvorgaben. 
  3. Verständlich (Understandable): Informationen und die Bedienung der Benutzeroberfläche müssen verständlich sein, z. B. durch lesbaren Text und vorhersehbare Bedienung. 
  4. Robust (Robust): Inhalte müssen robust genug sein, um von einer Vielzahl von User Agents, einschließlich assistiven Technologien, interpretiert werden zu können. 

Wenn diese Prinzipien befolgt werden, entstehen barrierefreie Anwendungen. Was heißt das konkret für die Nutzenden? Hier sind 2 Beispiele: 

  1. Blinde Nutzende verwenden Screen-Reader, um sich die Inhalte von Webseiten oder Dokumenten vorlesen zu lassen. Wenn grafische Inhalte wie Bilder oder Diagramme keine Textbeschreibung haben, sind die Element nicht zugänglich. 
  2. Mausbedienung wird oft als Standard angesehen. Doch es gibt viele Menschen, die keine Maus nutzen, entweder weil sie die Inhalte nicht sehen können, oder weil sie motorisch nicht in der Lage sind, die Maus präzise zu bedienen. Dann ist es essenziell, dass auch Tastaturen oder speziell angepasste Eingabegeräte unterstützt werden. 

Szenarien zur Erreichung von Barrierefreiheit 

Die Komplexität der Umsetzung von Barrierefreiheit hängt stark von der digitalen Landschaft eines Unternehmens ab. Wir unterscheiden hier drei Szenarien: 

  1. Kleine, einzelne Webseiten Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit nur einer einzelnen Webseite als Kundenkontaktpunkt ist die Umsetzung vergleichsweise am einfachsten.
  • Vorgehen: Ein Barrierefreiheits-Audit ist der erste Schritt. Er zeigt die Problemstellen auf, die dann schrittweise verbessert werden können. Hierbei ist es wichtig, nicht nur punktuell Probleme zu lösen, sondern bei allen beteiligten Mitarbeiter:innen (z.B. Content-Ersteller:innen, Entwickler:innen) ein Bewusstsein für Barrierefreiheit zu schaffen. 
  • Wichtiger Hinweis: Auch PDF-Dokumente und andere Dateien, die zum Download angeboten werden, müssen barrierefrei sein. 
  1. Mehrere, nicht-verbundene Touchpoints Viele Unternehmen verfügen über mehrere digitale Touchpoints, die nicht miteinander verbunden sind, wie zum Beispiel separate Websites für verschiedene Marken, einzelne Landingpages und Microsites, Mobile Apps oder Desktop-Anwendungen.
  • Vorgehen: Grundsätzlich könnte der Ansatz aus Szenario 1 auf jeden einzelnen Kanal angewendet werden. Dies würde jedoch Synergien verpassen. Es empfiehlt sich, die Chance zu nutzen, unternehmensweite Standards und Richtlinien für Barrierefreiheit einzuführen, die für alle Touchpoints gelten. 
  • Herausforderung: Automatisierte Tests können einen Teil der Barrierefreiheitsprobleme aufdecken, aber sie finden nur rund ein Drittel der Probleme zuverlässig. Menschliche Expertise und manuelle Audits sind unerlässlich, um komplexere oder kontextspezifische Barrieren zu identifizieren. Die Einbeziehung von Nutzer:innen mit Behinderungen in den Auditprozess ist hierbei von großem Wert. 
  1. Komplexe, vernetzte Systeme Wenn die Customer Journey Ihrer Kund:innen sie durch verschiedene, miteinander vernetzte Systeme führt (z.B. PIM, DMS, CRM, ERP, E-Mail-Systeme), müssen alle Komponenten nahtlos und barrierefrei zusammenwirken. Es ist kontraproduktiv, wenn die Unternehmenswebsite barrierefrei ist, aber die nachfolgende Landingpage aus dem CRM-System nicht.
  • Vorgehen: Bei komplexen Systemlandschaften ist es nicht sinnvoll, jedes System isoliert zu betrachten. Stattdessen sollten die geschäftskritischen Customer Journeys priorisiert und diese über alle beteiligten Systeme hinweg in einem vertikalen Schnitt verbessert werden. Dies erfordert eine umfassende Strategie und Koordination. 
  • Organisatorische Verankerung: Die gesamte Organisation muss Grundlagenwissen über Barrierefreiheit aufbauen und interne Prozesse entsprechend optimieren. Dies kann auch eine gute Gelegenheit sein, agile Prozesse zu verbessern und die teamübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Eine Kultur der Barrierefreiheit zu entwickeln, bei der Barrierefreiheits-Checks in die Standard-Workflows integriert werden, ist hierbei entscheidend. 

 

Wie kann Enterprise Architektur Management bei der Barrierefreiheit helfen?  

Enterprise Architecture Management (EAM) ist für komplexe und heterogene Systemlandschaften ein strategisch äußerst wertvolles Instrument. Es hilft dabei, die IT-Landschaft eines Unternehmens ganzheitlich zu verstehen, zu steuern und mit den Geschäftsprozessen in Einklang zu bringen. 

Die Einbindung von EAM als strategisches Bindeglied zwischen Anforderungen der Barrierefreiheit und der notwendigen IT-Umsetzung aus den erkannten Maßnahmen ist auf jeden Fall sinnvoll und notwendig.  

Mit der Übersicht über die IT-Landschaft durch die gemanagte Unternehmensarchitektur haben wir die Möglichkeit geschaffen, transparent und flexibel die Bereiche zu identifizieren, welche für die Barrierefreiheit eine Rolle spielen können. Mit den Kenntnissen über die Bebauung in der Applikationslandschaft und deren Informationsflüssen sind die wichtigen Parameter für die geschäftskritischen “Customer Journeys” auffindbar und detailliert analysierbar. Zusammenhänge können so besser erkannt und über die Gesamtprozess- und Applikationslandschaft angezeigt werden, womit Synergieeffekte bei Lösungsfindung und Optimierung erreichbar sind.     

Fast alle gängigen EAM-Werkzeuge bieten hier Lösungsansätze mithilfe von  

  • Heatmaps 
  • Abhängigkeitsdiagramme 
  • Change-Impact-Analysen   

an, die für eine erste Übersicht der relevanten Systeme oder Applikationen zeigen.  

Abb.: Beispiel einer Abhängigkeitsanalyse 

Mit dem Drill-down in die einzelnen Architekturebenen kann man das Vorgehen für die notwendigen Maßnahmen strategisch koordinieren und umsetzen.  

 

EAM schafft Transparenz

Durch die gesetzliche Forderung und die gesellschaftsfähige Notwendigkeit ist Barrierefreiheit kein “nice-to-have" mehr. Ein strukturierter EAM-Ansatz schafft Transparenz für eine gezielte Steuerung und nachhaltige Umsetzung:    

  • Identifikation aller relevanten Systeme mit Nutzerkontakt und öffentlichen Zugang 
  • Bewertung und Status Modellierung des WCAG und BITV Anforderungen 
  • Verknüpfung der relevanten Geschäftsprozess und Datenflüsse, um die Abhängigkeiten über die gesamte Architektur zu erkennen 

 

Governance durch EAM

Barrierefreiheit ist nicht nur eine technische Herausforderung – sie ist eine strategische Aufgabe, die klare Verantwortlichkeiten, Standards und Kontrollmechanismen erfordert. Ein Enterprise Architecture Management Ansatz bietet genau die Governance-Strukturen, um Barrierefreiheit in der IT-Landschaft systematisch umzusetzen und zu überwachen: 

  • Klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten in den unterschiedlichen Stadien, Projekt, Betrieb und Qualitätssicherung 
  • Etablieren von Standards und Richtlinien    
  • Definition von Kontrollmechanismen mit Metriken und KPIs 
  • Integration in Projekt- und Portfolio-Governance (z.B. Accessibility-relevante Projekte werden gekennzeichnet und ggfls. priorisiert)  
  • Monitoring und kontinuierliche Verbesserung mit Lifecycle-Management und Lessons Learned bei den Architekturreviews   

 

Roadmap und Transformationsplanung 

Mit Hilfe von EAM-Methoden wie Capability Maps und Transformationsroadmaps kann die Umsetzung von Barrierefreiheit geplant und priorisiert werden: 

  • Welche weiteren “Capabilities” benötigt barrierefreie Unterstützung? Welche Referenzmodelle kann man nutzen? 
  • Welche Projekte zahlen auf die Barrierefreiheit ein? 
  • Wie sieht der Migrationspfad – kurzfristig, mittelfristig, langfristig aus?  
  • Kommunikation und Stakeholder Einbindung als strategische Verankerung der digitalen Verantwortung im Unternehmen 

 

Standards etablieren

EAM ermöglicht die Definition und Durchsetzung von Architekturprinzipien als IT- Landschaftsvorgabe: 

  • “Barrierefreiheit ist ein nicht verhandelbares Qualitätsmerkmal” 
  • Alle digitalen Touchpoints müssen barrierefrei sein 
  • “Accessibility” wird in jeder Projektphase berücksichtigt - von der Anforderung bis Abnahme   
  • Unternehmensweite Definition der Accessibility-Standards (z. B. WCAG, BITV) 
  • Dokumentation der Architekturprinzipien und Design-Guidelines als Umsetzungsrichtlinie 

Ein EAM-Ansatz bietet nicht nur Transparenz, sondern auch die Governance-Strukturen, um Barrierefreiheit strategisch, nachhaltig und gesetzeskonform umzusetzen. Für das Management bedeutet das: Barrierefreiheit wird zur gestaltbaren Aufgabe – mit klaren Verantwortlichkeiten, messbaren Zielen und steuerbaren Prozessen. 

 

Architekturentscheidungen strategisch steuern mit EAM – Barrierefreiheit als nicht-funktionale Anforderung 

In modernen IT-Landschaften ist Barrierefreiheit weit mehr als eine gesetzliche Pflicht – sie ist ein Qualitätsmerkmal, das Nutzerfreundlichkeit, Inklusion und Zukunftsfähigkeit sicherstellt. Hieraus ergeben sich verschiedene Fragen: 

Wie kann man Anforderungen an die Barrierefreiheit definieren?  

Wie spezifizieren? 

Welche Richtlinien und Metriken sind konzeptionell relevant? 

Eine Möglichkeit bietet die Herangehensweise Barrierefreiheit als nicht-funktionale Anforderungen (NFAs) zu verstehen und systematisch in die Architekturentscheidungen zu integrieren und somit strategisch zu steuern.  

Nicht-funktionale Anforderungen definieren, wie ein System funktioniert – nicht was es tut. Barrierefreiheit gehört dabei in eine Reihe mit Anforderungen wie: 

  • Usability 
  • Security 
  • Performance 
  • Maintainability 

Sie beeinflusst Architekturentscheidungen auf allen Ebenen – von der UI-Gestaltung über Technologie-Stacks bis hin zu Integrations- und Implementierungsmustern. 

Ein EAM-Ansatz bietet die methodische Grundlage, um NFAs wie Barrierefreiheit in Architekturarbeit zu verankern: 

  • Architekturprinzipien: Z.B. „Barrierefreiheit ist integraler Bestandteil jeder Lösung.“ 
  • Referenzarchitekturen: Enthalten Accessibility-Vorgaben für Frontend, Backend und Schnittstellen. 
  • Bewertungsmodelle: Ermöglichen die Bewertung von Architekturoptionen hinsichtlich Accessibility. 

Das birgt natürlich konkrete Auswirkungen auf alle Architekturentscheidungen, welche die Barrierefreiheitsanforderungen betreffen: 

  • Technologieauswahl: Frameworks mit guter Accessibility-Unterstützung (z. B. WCAG-konforme Komponenten, richtige Nutzung von ARIA-Attributen). 
  • Designentscheidungen: z. B. Farbkontraste, Tastaturnavigation, Screenreader-Kompatibilität. 
  • Integrationsstrategien: z. B. barrierefreie Schnittstellen für externe Systeme und Services. 

Der EAM-Ansatz hilft, diese Entscheidungen nachvollziehbar zu dokumentieren und übergreifend zu steuern. 

Definition von Architekturstandards ist ausschlaggebend 

Barrierefreiheit als nicht-funktionale Anforderung zu behandeln, bedeutet, sie in die DNA der IT-Architektur zu integrieren. Ein EAM-Ansatz schafft die nötige Transparenz, Steuerung und Governance, um diese Anforderung strategisch umzusetzen – nicht als Zusatz, sondern als integralen Bestandteil digitaler Exzellenz. 

Wie in der EAM-Vorgabe beschrieben, ist die Definition von Architekturstandards und hier im Speziellen die Anforderungen an barrierefreie Designvorgaben ausschlaggebend.  

Wichtige Maßnahmen für barrierefreies Design in Systemen 

Unabhängig vom Szenario sollten Unternehmen folgende, allgemeingültige Prinzipien des barrierefreien Designs anwenden und gegebenenfalls in den Architekturstandards verankern. 

  • Kontrastreiches Design: Farben und Schriftarten müssen einen ausreichenden Kontrast aufweisen, um die Lesbarkeit zu gewährleisten. 
  • Alternative Texte für Bilder und Videos: Visuelle Inhalte benötigen beschreibende Alternativtexte, damit sie von Screenreadern erfasst werden können. 
  • Tastaturnavigation: Alle Inhalte müssen vollständig ohne Maus bedienbar sein. 
  • Strukturierter Inhalt und einfache Sprache: Logische Überschriftenhierarchien, klare Sprache und verständliche Formulare tragen zur besseren Verständlichkeit bei. Vermeiden Sie Fachjargon und verwenden Sie einfache, direkte Formulierungen. 
  • Barrierefreie Dokumente: Digitalen Dokumente wie PDFs und Präsentationen müssen zugänglich gestaltet sein. 
  • Untertitel und Transkripte für Medien: Videos sollten Untertitel oder Audiodeskriptionen haben, und Audiomaterial sollte Transkripte umfassen. 
  • Vermeiden Sie die alleinige Verwendung von Farbe zur Informationsvermittlung: Wichtige Informationen sollten nicht nur durch Farbe, sondern auch durch andere visuelle oder textuelle Hinweise übermittelt werden. 
  • Sprunglinks für wiederkehrende Elemente: Ermöglichen Sie es Nutzer:innen, repetitive Navigationselemente zu überspringen, z. B. durch einen „Skip to main content“-Link.
💡Lesen Sie auch: Die häufigsten Accessibility-Probleme und wie man sie löst

 

Die Rolle von Audits und Künstlicher Intelligenz (KI) 

Audits sind ein essenzieller Schritt, um die Barrierefreiheit zu überprüfen und Mängel aufzudecken. 

  • Beginnen Sie mit automatisierten Tests, um fehlende Alternativtexte, falsche Überschriftenverwendung und Farbkontrastverletzungen schnell zu finden. Tools wie der ARC Toolkit oder der Colour Contrast Analyser sind hierfür nützlich. 
  • Führen Sie darauf aufbauend detaillierte manuelle Audits durch, da automatisierte Tools komplexere oder kontextabhängige Barrieren übersehen können. Die Zusammenarbeit mit Barrierefreiheitsexpert:innen oder Berater:innen kann hierbei sehr hilfreich sein. 
  • Dokumentieren Sie alle gefundenen Probleme in einem umfassenden Bericht mit klaren Beschreibungen und Empfehlungen zur Behebung. 
  • Nach der Behebung von Barrierefreiheitsmängeln ist ein erneutes Testen der Inhalte unerlässlich, um die Wirksamkeit der Korrekturen zu überprüfen. 
  • Regelmäßige Audits und kontinuierliche Überwachung sind entscheidend, da sich digitale Inhalte ständig weiterentwickeln. 

Künstliche Intelligenz (KI) bietet vielversprechende Möglichkeiten, die digitale Barrierefreiheit zu revolutionieren. 

  • Kontextadaptive Oberflächen: KI kann Benutzeroberflächen in Echtzeit anpassen, basierend auf dem Nutzerverhalten, den Gerätefähigkeiten und dem Umfeld, z.B. durch Anpassung von Kontrasten oder Navigationsstrukturen. 
  • Prädiktive Funktionen: KI kann Benutzerbedürfnisse antizipieren, bevor sie explizit geäußert werden, z.B. durch Anpassung der Sprechgeschwindigkeit von Sprachassistenten bei Anzeichen von Ermüdung. 
  • Multimodale Orchestrierung: Fortschrittliche Systeme können nahtlos zwischen verschiedenen Interaktionsmodi wie Sprache, Berührung und Gesten wechseln und dabei den Kontext beibehalten. 
  • Dynamische Inhaltsoptimierung: KI kann Inhalte in Echtzeit vereinfachen, ohne die ursprüngliche Bedeutung zu verlieren, oder Informationsarchitekturen dynamisch anpassen. Tools wie SUMM AI können komplexe Texte automatisch in einfache Sprache übersetzen. 
  • Empathische Fehlerprävention: KI kann Anzeichen von Frustration bei Nutzer:innen erkennen und proaktiv Hilfestellung oder alternative Wege anbieten, bevor Fehler auftreten. 

Trotz des Potenzials gibt es auch Herausforderungen beim Einsatz von KI in der Barrierefreiheit, wie der Schutz der Privatsphäre, die Vermeidung von Verzerrungen (Bias) in den KI-Modellen und die Komplexität der Systeme. 

Fazit 

Die nachhaltige Integration von Barrierefreiheit in bestehende IT-Landschaften ist eine komplexe, aber notwendige Aufgabe. Es ist entscheidend, zielgerichtet vorzugehen und Synergien im Unternehmen zu schaffen. Barrierefreiheit ist keine einmalige Maßnahme, sondern ein fortlaufender Prozess, der regelmäßige Überwachung, kontinuierliche Schulung der Teams und die Integration von Barrierefreiheits-Checks in die täglichen Arbeitsabläufe erfordert. Durch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Barrierefreiheitsexpert:innen und die Nutzung innovativer Technologien, einschließlich KI, können Unternehmen die Herausforderungen meistern und eine digitale Umgebung schaffen, die für alle zugänglich und nutzbar ist. Dies führt nicht nur zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern auch zu einer besseren Benutzererfahrung, erweiterten Marktchancen und einem gestärkten, inklusiven Markenimage. 

Autoren

Karsten Lenz ist Lead UX-Designer und Frontend-Entwickler bei iteratec in Hamburg. Er beschäftigt sich schon seit 2010 mit digitaler Produktentwicklung und baut Brücken zwischen Design und Entwicklung. Dabei hat er bereits für verschiedenste Kunden in den Bereichen B2C und B2B und Branchen wie Banken, E-Commerce, Logistik, ÖPNV nutzerzentrierte Produkte entwickelt. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich besonders mit digitaler Barrierefreiheit.

 

Thomas Heidinger verfügt über mehr als 25 Jahre Management- und IT-Erfahrung aus zahlreichen nationalen und internationalen Projekten. Seine Schwerpunkte liegen in der Strategie- und Managementberatung im Bereich digitaler Transformation. Dabei hat er umfangreiche Führungserfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von Digitalisierungsstrategien gesammelt, mit besonderem Fokus auf strategischen Entscheidungen sowie das Design und die Implementierung digitaler Geschäftsmodelle, Konzepte und Plattformen. Weitere Expertise bringt er im Aufbau und in der Gestaltung mobiler End-to-End-Architekturen sowie im Architekturmanagement für komplexe IT-Landschaften und Beschaffungsprozesse mit.

 

 


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